Gonzo, weicht keinen Meter von uns. Unser persönlicher Bewacher ist mit Sicherheit eines der treuesten Wesens südlich des Rio Negros. Wir gönnen uns für zwei Tage eine Ruhezeit nach den langen Etappen der letzten Tage. In Camarones, einem kleinen Fischerdorf an der Atlantikküste, haben wir einen schattigen Platz unter einem alten Ombubaum gefunden.
Aber fangen wir von vorne an und machen einen Rückblick der letzten vier Wochen
Bereits eine Woche vor Weihnachten reist Michaela nach Wien und empfängt 23 Reisegäste die sie in den nächsten drei Wochen auf dem Kreuzfahrtschiff MS Delphin als Reiseleitung betreut. Zuerst geht es mit dem Flieger nach Lissabon, wo am gleichen Tag noch die Einschiffung erfolgt. So reizvolle Orte wie Madeira, Kanaren, Kapverdische Inseln, Recife, Rio de Janeiro, Montevideo oder Buenos Aires wird das Schiff auf der „Großen Weihnachts- u. Silvesterreise“ anlaufen.
Michaela live: Meine kleine Reisegruppe hat sich als eine ganz fantastische Gruppe herausgestellt. Jeder Einzelne von ihnen hat es mir leicht gemacht, mein geliebtes Weihnachten mal nicht im Kreise der Familie feiern zu können. So wird die Zeit für meine Gäste sowie auch für mich an Bord der MS Delphin sehr abwechslungsreich, angefüllt mit interessanten Landgängen.
Aber auch das Bordleben selbst – speziell an den Seetagen – ist ausgefüllt mit Aktivitäten, Angefangen vom Morgenwecker über Pilatesübungen, Joggen, Lichtbildvorträgen über die jeweiligen Häfen bis hin zu den Abendveranstaltungen. Für diese waren verschiedene Künstler/ Sänger engagiert worden. W. Plathe bekannt aus der Serie der Landarzt, welcher mit humoristischen Texten und Liedern aufwartete, Hill Gutt, deren Reportaire von Hildegard Knef bis Zarah Leander ging, Randall Cooper der Broadwaymusicals und anderes mit einer engelsgleichen Stimme vortrug sowie ein Zauberer, genannt Kalibo, der so manchen Gast in Erstaunen versetzte.
Zuerst dachte ich, drei Wochen auf dem Schiff und dann noch Weihnachten und Silvester dazu, das wird lange. Aber viel zu schnell verging die Zeit und ich muß sagen, trotz meiner Vorfreude auf Raimund und unserer Südamerikareise, ging ich mit einem weinenden Auge von Bord. Natürlich weil ein Teil einer Reise die man unternimmt, immer auch die Menschen denen man begegnet ausmachen und ich hatte wieder viele wunderbare Menschen kennengelernt, mit denen ich auch hoffentlich noch in Zukunft in Verbindung bleiben werde.
Am Freitag den 05. Januar war es dann so weit. Wir sollten all drei, Michaela mit dem Kreuzfahrtschiff, der Bus mit dem Container-Schiff und ich mit dem Flugzeug in Buenos Aires eintreffen. Es war ein langer Flug über den Atlantik, mit Zwischenlandung und Umsteigen in Madrid. Um 6:30 Uhr argentinischer Ortszeit setzten die Räder der ins Alter gekommenen klapprigen Boing 747 der Aerolineas Argentinas auf. Nun gings weiter mit warten und sitzen. Ich wusste dass Michaela Ihre Gäste am gleichen Flughafen gegen mittags zum Einchecken bringt. Es funktioniert alles wunderbar. Ich sehe sie schon von weitem im anfahrenden Bus mit dem Schriftzug an der Frontscheibe „MS Delphin – Aeropuerto“. Jetzt sind wir schon zu zweit.
Unseren VW-Bus bekommen wir am Montag, da der Container erst entladen werden muss und der Zoll am Wochenende nicht arbeitet. Für die drei Nächte haben wir uns in einen kleinen Hotel mitten im Zentrum der 14 Millionen Metropole einquartiert. Von hieraus erreichen wir die meisten Sehenswürdigkeiten bequem zu Fuß.
Nachts kann man sich gefahrlos innerhalb des Zentrum bewegen. An jeder Ecke in den Straßen sind Polizisten präsent. Ein wunderbarer Geruch der vielen Asado-Grills zieht durch die Straßen. In den Monaten des Süd-Sommers sitzen die Hauptstadtbewohner weit bis in die Morgenstunden hinein im Freien, in einem der Cafes oder Resaurants und genießen die tolle Athmosphäre ihrer Stadt. Wer schon mal in der Geburtsstadt des Tangos ist, sollte auf keinen Fall eine der vielen Tango-Shows versäumen. Randy, der ein Arrangemente als Sänger auf der MS Delphin hat und Buenos Aires-Kenner ist, gab uns den Tipp bzw. besorgte uns Karten für das Teatro Piazzolla. Wir besuchen die Vorstellung mit ihm und weiteren Arbeitskollegen der MS Delphin und sind alle hellauf begeistert. Auch die „Nicht-Tanzbegeisterten“ (ich!!). An Wochenenden wird auf vielen Straßen und Plätzen Buenos Aires Tango getanzt und gesungen.
Diese Stadt hat aber auch ein anderes Gesicht. Im Süden von Buenos Aires wuchert ein Armutsgürtel mit Baracken aus Blech und Brettern. Viele haben kein Einkommen und kennen Leitungswasser und Kanalisation nur vom Hören-sagen. Hier gibt es 20 Millionen Ratten. Der Zollhafen in dem unser VW-Bus entladen wird, liegt direkt gegenüber eines solchen Armutsviertels. So ist es nicht selbstverständlich das jeder Taxifahrer uns zum Zollhafen fährt. Unser Hotelportier kennt die Problematik und besorgt uns einen zuverlässigen Fahrer. Da wir am Tag zuvor schon in der Stadt beim Zollamt den Papierkram erledigt hatten, folgte nun im Zollhafen der zweite Teil. Der Zollbeobachter bestellt uns für 10:00 Uhr in den Hafen. Er selbst erscheint gegen 15:30 Uhr.„Schlimmstenfalls wollen einige Zöllner Geld“ wurden wir gewarnt. Rodriges, ein Argentinier der für unseren Spediteur Hamburg-Süd arbeitet, hilft uns bei den zu erledigenden Formalitäten. Alle Besorgnisse sind umsonst. Der Feierabend des Zollbeamten war wohl nicht mehr weit, deshalb besichtigt er unser Fahrzeug nur kurz von außen, macht die restlichen Papiere fertig und das wars.
Es ist bereits 16:30 Uhr. Wir wollen auf jeden Fall heute noch diese Megastadt verlassen. Es ist schon dunkel bei unserer Ankunft in San Clemente, ca. 160 km von Buenos Aires entfernt, einem Campingplatz am Meer. Jetzt brauchen wir nur noch Ordnung in unserem Bus zu schaffen. Alles wird nochmals ausgepackt und an den richtigen Platz eingeräumt.
Die Holzkiste mit den Ersatzteilen und den Bergewerkzeugen wird auf das Dach montiert. Michaela steigt aus „Statikgründen“ aufs Dach und bekommt von mir Anweisungen. Nun kanns los gehen.
Wir erreichen über eine Querstraße, die von der Küste ins Landesinnere führt, die Routa National No.3. Sie führt von Buenos Aires über 3000 Kilometer durch Patagonien hindurch bis nach Südfeuerland runter, nach Ushuaia oder wie man auch sagt: ans „Ende der Welt“. Tagelang fahren wir zuerst durch die Pampa. Ihre Gesamtfläche ist so groß wie Frankreich und flach wie ein Pfannkuchen. Pampa bedeutet übersetzt: Ebene, Flachland – Weite ohne Hindernis. Was dies bedeutet, haben wir erlebt
Einsamkeit, Gleichtönigkeit, Weite und nochmals Weite soweit das Auge reicht. Die Straße führt uns immer kerzengerade nach Süden. Die Sonne brennt, die Hitze des Asphalt flimmert am Horizont. Nicht selten steigt die Temperaturanzeige im Fahrzeuginneren auf 50 Grad Celsius. Die Felder und Weidenflächen mit ihren Rindern werden immer weniger je weiter wir nach Süden kommen. Dann die erste Lebensmittelkontrolle am Rio Colorado. Wir werden angehalten und müssen unsere Äpfel abgeben. Aus Angst vor Krankheiten darf kein Obst in die nächste Region eingeführt werden. Am Rio Negro dann eine weitere Kontrolle. Nun ist das Fleisch an der Reihe. Zum Glück haben wir nichts an Bord. Später bei einer weiteren Lebensmittelkontrolle sind unsere Tomaten fällig. Langsam geht die Landschaft in eine Strauchsteppe über. Keine Häuser, keine Menschen, kein Baum – nichts.
Selbstfahrern nach Süden wird empfohlen stets Trinkwasser- u. Lebensmittelreserven sowie einen Ersatzkanister mit Treibstoff mit sich zuführen und so oft es geht nachzutanken. Denn gerade in der Erntezeit kann es im ganzen Land Treibstoffmangel geben und Erntefahrzeuge werden dann bevorzugt betankt. Da kann es schon passieren das so mancher Tankstelle der Sprit ausgeht. So tanken wir meist auch wenn der Tank noch halb voll ist, um einfach sicherzugehen. Übrigens, zur Zeit kostet der Liter Diesel in Patagonien 0,35 Euro.
Die Hitze der letzten Tage ist abgeklungen. Nun haben wir Probleme mit dem Wind. In dieser baumlosen Ebene kann an manchen Tagen der Wind die Erde mit bis zu 200 km/h niederdrücken. Oft ist der Wind so stark, dass unser Bus noch nicht mal 80 km/h erreicht. Wenn dann eine der wenigen geschotterten Querstraßen nach Osten führt und es bereits spätnachmittags ist, biegen wir ab, mit der Hoffung einen Übernachtungsplatz am Meer zu finden wo uns Sanddünen dann etwas Windschutz geben.
Die meiste Zeit in dieser „trostlosen“ Pampa hängen wir unseren eigenen Gedanken hinterher, wir philosophieren und es ist als ob diese 3000 km eine Vorbereitung für das spektakuläre „Ende der Welt“ sein sollen.
Endlich dann kurz vor Feuerland steht Abwechslung auf dem Programm. Diese jedoch werden wir euch erst im nächsten Reisetagebucheintrag verraten.
Bis bald Michaela u. Raimund