Kurz ein paar Informationen zu Land und Politik. Bolivien wird geprägt durch drei Landschaftsformen. Im Südwesten der Altiplano, eine Hochebene zwischen 3500 m und 4500 m, die über weite Teile fast menschenleer ist. Im Nordosten das Tiefland, das ausschließlich vom Regenwald überzogen und größtenteils unzugänglich ist. Und im Südosten befindet sich der Chaco, eine eher trockene Ebene die sich über Paraguay bis hinein in den Argentinischen Norden zieht.
Über 70 % der 8 Millionen Bolivianer zählen sich zu indianischen Gruppen. Zum ersten mal in der Geschichte des Landes ist einer von ihnen zum Präsidenten gewählt worden. Evo Morales, der aus einer Aymara-Familie stammt, hat sehr viele Sympathien in der Bevölkerung und seit er im Amt ist, haben die Ureinwohner mehr Rechte. Für sie ist er ein Held, für die Amerikaner und für viele der wenigen Reichen, die es in Bolivien gibt, ist er ein Terrorist. Obwohl Bolivien an Bodenschätzen gesegnet ist, besonders an Erdgas, ist es das Armenhaus Südamerikas. Die Weltbank und IWF unter Führung der USA machte in den 90er Jahren Bolivien die Auflage „Es gibt nur Entwicklungshilfe und Kredite wenn die Erdgasgewinnung privatisiert wird“. Nutznießer waren ausländische, vor allem Amerikanische und Europäische Öl- und Gaskonzerne. Selbst die Arbeitsplätze zur Erdgasgewinnung wurden durch bereits ausgebildete ausländische Fachkräfte besetzt. Die meisten Petrol-Dollars gingen außer Landes und die Bevölkerung ging leer aus. Morales versprach dem Volk, bei einer Wahl zum Präsidenten werde er den gesamten Erdöl- und Erdgassektor verstaatlichen und die Gewinne kommen der verarmten Landbevölkerung zugute. Daraufhin drohte der US-Amerikanische Botschafter Manuel Rocha „ Bei einer Wahl Morales zum Präsidenten wird die USA ihre Entwicklungshilfe streichen und ihre Märkte für Bolivien schließen“. Die überwiegend Indigene Bevölkerung ließ sich nicht einschüchtern und wählte Evo Morales zum Präsidenten. Drei Monate nach seiner Präsidentenwahl, löste Morales sein Wahlversprechen ein und verstaatlichte die gesamte Erdöl- und Erdgasförderung. Es ist nur eine Frage der Zeit wie lange Morales an der Macht bleibt. Seine politischen Gegner, unterstützt von der US-Regierung, schmieden bereits schon Pläne zum Sturz. Es kann einem richtig schlecht werden, wenn man sieht, wie und wo die US-Regierung im Hintergrund ihre Fäden spinnt und welchen Druck sie zum Gebrauch ihrer Macht weltweit ausüben. Leidtragende sind dann immer die kleinen Leute, besonders die Kinder. Schon einmal gab es einen Mann vor genau 40 Jahren, der sich für die Unterdrückung der Bauern und der Ureinwohner einsetzte. Es ist der weltweit zum Kult gewordene„Che Guevara“. Der damals 39 jährige bärtige Revolutionär mit seiner schwarzen Baskenmütze wurde im Oktober 1967 in den Bergen ca. 150 Kilometer östlich von Sucre während eines Gefechts einer Spezialeinheit der bolivianischen Streitkräfte verwundet und anschließend hingerichtet. Die Hintermänner dieses angezettelten Gefechts stammten aus dem US-Geheimdienst CIA. Doch der Mythos „Che Guevara“ lebt noch heute.
Dies war eine kurze Einführung, nun aber wollen wir mit dem Reisebericht beginnen.
Oben am chilenisch-bolivianischen Grenzübergang in Ollagüe treffen wir uns alle wieder, die wir bereits am Campingplatz in Calama Tage zuvor gestanden haben. Volkmar und Gudrun aus Berlin mit ihren VW-Bully, Walter und Marion in ihrem MAN-Truck aus Warstein und Paul, Joe mit ihrem vierjährigen Sohn Eliot aus England im rechtsgesteuerten Landrover. Wir machen uns auf den Weg zur Zollabfertigung; da kommt uns Paul entgegen und meint britisch cool „ Wir fahren heute nach San Pedro zurück, da uns die Bolivianer nicht haben wollen“. Zuerst denken wir das ist ein Scherz. Aber das ist es nicht, da Pauls Landrover das Lenkrad auf der rechten Seite hat, lassen ihn die Bolivianer nicht einreisen. Die chilenischen Grenzbeamten geben Paul den Tipp, er solle doch über San Pedro einreisen, da sind die bolivianischen Kollegen nicht so streng. Das heißt 300 Kilometer Schotterpiste zurück nach San Pedro und dann ist noch immer nicht gewiss ob er einreisen darf. Wir haben Paul mit seiner Familie bisher noch nicht wieder in Bolivien getroffen, obwohl es meist die selben Routen sind, welche die Globetrotter einschlagen.
Das Abenteuer Bolivien kann beginnen. Die nächsten Wochen werden wir im wilden Südwestens Bolivien verbringen, vorausgesetzt die extremen Klimaverhältnisse, die ungewohnte Höhenluft und die schlechten Straßen machen uns keine Probleme. Es geht durch bizarre Felslandschaften, die Bergriesen am Horizont immer vor den Augen, bevor wir am Abend die Stadt Uyuni am gleichnamigen Salzsee „Salar de Uyuni“ erreichen.
In Bolivien gibt es kaum Campingplätze. Draußen in der Pampa ist es kein Problem, da kann man überall „wild“ campen. In den Städten jedoch sollte man so weit dies möglich ist, die Fahrzeuge auf abgeschlossenes oder bewachtes Gelände stellen. Notfalls vor der Polizeistation parken. Wir haben den Tipp erhalten, beim Hotel Misthel kann man sich gegen geringe Bezahlung auf den Hinterhof stellen. Wir sind froh über diesen Tipp, da es bereits dunkel wird. Erst am Morgen bei Tageslicht nehmen wir unseren Übernachtungsplatz unter die Lupe.
Der Platz ist nicht gerade romantisch, aber wir sind froh, dass wir sicher stehen können und praktisch mitten im Zentrum sind. Von hier aus können wir alles zu Fuß erkunden. Einige Kilometer außerhalb von Uyuni wurden auf einem Abstellgleis über die Jahre unzählige ausrangierte Dampflokomotiven und Wagone, ja ganze Geisterzüge, zum verrosten einfach in die Landschaft gestellt. Dieser Dampflokomotiven-Friedhof ist nicht nur für Eisenbahn-Freaks sehenswert und man kann ihn locker zu Fuß in einer Stunde besichtigen.
Der Hauptgrund, warum die meisten Touristen die Strapazen der Fahrt nach Uyuni auf sich nehmen und es sie in diese Abgeschiedenheit schlägt, ist der Besuch des größten Salzsees der Welt. Deshalb machen auch wir hier Station. Zuerst wollten wir selbst mit unserem Fahrzeug auf den 3660 m Höhe gelegenen Salzsee fahren und dort übernachten.
Da sich das Salz während der Fahrt am Unterboden des Fahrzeuges festsetzt und es nur mit Mühe – lediglich teilweise – wieder entfernt werden kann, rostet der Unterboden in kürzester Zeit durch. Dieses Risiko gehen wir nicht ein und buchen bei einer Agentur eine Tagestour zu einer der vielen Inseln die es im Salzsee gibt. 20 US-Dollar kostet uns der Ausflug pro Nase. Um 11:00 Uhr vormittags geht es mit einen Geländewagen über die Kochsalz-Piste in die weiße Endlosigkeit hinaus. An Bord sind außer dem Fahrer und einer Köchin noch sechs Fahrgäste: ein Peruaner, ein Bolivianer, ein englisches Pärchen und wir. Zuerst fahren wir zum Salzhotel, dass irgendwo mitten auf dem Salzsee steht. Alles bis auf das Strohdach ist aus Salzblöcken hergestellt. Von den Tischen und Stühlen bis hin zum Bett. Es geht weiter zur „Isla de los Pescadores“ (Insel der Fischer).
Warum diese Insel so heißt kann uns keiner sagen. Ein Wanderweg geht über die Insel an tausenden von Kakteen vorbei. Selten haben wir eine solch bezaubernde Landschaft gesehen. Unsere Köchin bereitet am Spätnachmittag das Essen vor. Es gibt Grillfleisch, Quinua und Salate.
Gegen 17:00 Uhr treten wir gestärkt die Rückfahrt an und sind gegen Abend wieder in unserem „Romantik-Hotel“ zurück. Der Hinterhof auf dem wir stehen grenzt an eine Kaserne, die „sehr musikalische“ Soldaten hat. Täglich werden wir um 5.30 Uhr durch den Weckruf eines Trompeters geweckt. Eine halbe Stunde später geht’s mit Marschmusik weiter. Aber das ist noch nicht alles. Anscheinend liegt das Probezimmer nur einige Meter hinter der Kasernenmauer neben unseren Hinterhof. Den ganzen Tag geht das Gedudel weiter, selbst als ehemaliger Blasmusiker geht mir das Ganze auf dem Geist. Oft wird uns der Lärm am Abend dann zu viel und wir kochen nicht mehr und flüchten in die Stadt um in einen der Restaurants zu essen. Bei der Essensauswahl ist Michaela mit den exotischen Speisen experimentierfreudiger. Sie bestellt Vicunja- und Lamafleisch, dazu Quinua eine einheimische Getreidebeilage des Hochlandes. Ich bevorzuge meist das klassische Schnitzel mit Pommes. Für ein ausgiebiges Abendessen für zwei Personen mit Salat, Beilagen, Wein und Bier zahlen wir im Schnitt 5 EUR. Beim Zurückgehen zu unserem „Nachtcamp“ pfeift der Wind vom Salzsee kommend durch die staubigen Straßen und wir ahnen schon: Diese Nacht wird genauso kalt wie letzte Nacht. Uyuni wird nicht umsonst als Kühlschrank Boliviens verspottet. Dem können wir nur zustimmen. Letzte Nacht hatte es – 15 ° C und sogar im Businneren waren es immer noch –2° C.
Da hilft am Morgen nur eine Kanne heißer Tee und am besten gar nicht vor Sonnenaufgang aufstehen. Innerhalb einer Stunde verwandelt die Sonne dann die Temperaturen auf über
+ 20°C . Kurz vor unserer Abreise aus Uyuni lernen wir noch eine belgische Familie kennen die mit ihren vier Kindern, darunter ein Säugling, mit einem umgebauten LKW unterwegs sind. Sie wollen auch mit ihrem Fahrzeug über den Salzsee fahren. Einige Tage später erfahren wir von anderen Reisenden welche sie getroffen haben, dass sie mit ihrem LKW auf dem Salzsee eingebrochen sind und sie 72 Stunden warten mussten bis Hilfe kam. Nach vier Tagen verlassen wir nun Uyuni und fahren über die Cordillera de Chichas in Richtung Potosi.
Neben einem Dorf schlagen wir unser Nachtlager auf, das an einer kleinen Lagune liegt. Am frühen Morgen, ein Blick aus dem Fenster, wir trauen unseren Augen nicht. Wir stehen mitten in einer Herde von ca. zweihundert Lamas. Eine Hirtin treibt gerade ihre Lamas auf die Weide wo wir stehen.
Sobald wir von der Morgensonne aufgetaut sind, brechen wir wieder auf. Wir passieren kleine Dörfer die an der Strecke liegen. Die meisten Bauern hier sind ärmlich und leben von ihrer Lamazucht. Ab und zu begegnen wir kleinen Eselherden, die am Wegesrand fressen. Zweimal noch durchqueren wir Bäche, die von der letzten Regenzeit übrig geblieben sind. Vor der Durchfahrt haben wir immer dieselbe Prozedur: Schuhe und Hose ausziehen, anschließend prüfen wie tief das Wasser ist. Bleibt die Unterhose trocken, können wir mit Schwung durchfahren. Wenn das Wasser tiefer als 70 cm wäre, würde unser Motor anstelle von Luft Wasser ansaugen und wir müssten die ganze Strecke wieder zurück fahren. Vor vier Wochen hätten wir hier keine Chance gehabt die Bäche zu passieren. Bis jetzt hatten wir jedes Mal Glück. Kurz vor Potosi geht es noch mal durch einen kleinen Canion bevor wir gegen Mittag das Stadtzentrum erreichen.
Potosi, mit seinen 120 000 Einwohner liegt auf 4070 m Höhe und gilt neben der tibetischen Stadt Lhasa als höchstgelegendste Stadt der Erde. Für uns sind die Höhenangaben momentan wichtiger Bestandteil unseres Reisealttags um zu wissen Wann und Wo müssen wir uns richtig akklimatisieren damit wir gesundheitliche Risiken mindern können.
Wir beleiben nicht lange in der Stadt mit dem Silberberg. In der Vergangenheit war es eine der wichtigsten Städte des spanischen Imperiums in Südamerika. Das mit Schweiß und Blut der Indianer befleckte Silber, bescherte Spanien unendlichen Reichtum. Viele tausende Ureinwohner haben in diesen Berg ihr Leben gelassen. Sklaverei, Zwangsarbeit, Ausbeutung der Menschen, das war vor einigen hundert Jahren. Die Arbeitsbedingungen haben sich aber seit der Kolonialzeit kaum geändert. Heute treibt die extreme Armut die Menschen in den Stollen. Wir können es kaum glauben, noch heute werden tausende von Kinder von ihren Eltern zum Arbeiten in den Berg geschickt. Oft sind sie gerade mal 12 Jahre alt. Sie arbeiten täglich bis zu 12 Stunden, meist von 19:00 Uhr abends bis 7:00 Uhr früh. Dann gehen sie zur Schule und schlafen vor Erschöpfung ein. Ihre Körper sind bereits in jungen Jahren schon ausgemergelt. Nur wenige von ihnen erreichen das 35. oder 40. Lebensjahr. Die meisten sterben an der Silikose (Staublunge). Kinderarbeit ist in Bolivien gesetzlich verboten, aber angesichts der Armut hat das Gesetz keine große Bedeutung. Verstöße werden nicht geahndet. Wir wollen nicht wegschauen und Euch nicht nur von der Schönheit des Landes und den netten Menschen berichten. Solche Themen stehen in keinem Reiseführer. Durch Bolivien zu reisen, in Großstädten und abseits der Touristenströme, erlebt man den realen Alttag und die Armut der Menschen. Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas. Wir begegnen immer wieder der Armut. Mehr darüber im Verlauf des Berichtes.
Wir wollen noch vor Sonnenuntergang in Sucre eintreffen, wo wir von Gudrun und Volkmar den Tipp zum Übernachten im Hinterhof des Hostal Pachamama bekommen haben. Das von einer einheimischen Familie betriebene Hostal, das direkt im Zentrum liegt, hat diesmal wirklich einen nennenswerten Hinterhof, wo wir mit unseren VW-Bus stehen können. Es gibt sogar grünen Rasen auf den Stuhl- und Tischgruppen aus Sandstein stehen. Anna, die Besitzerin hat in diesen Hinterhof viel Zeit und Liebe investiert. Überall wachsen grüne Pflanzen und bunte Blumen. Und noch ein positiver Aspekt: Wir sitzen seit langem wieder mal bis spät in die Nacht im Freien ohne Erfrierungserscheinungen , obwohl der Ort auf 2800 m Höhe liegt.
Sucre ist die offizielle Hauptstadt Boliviens und der Sitz des obersten Gerichtshof . Die Regierungsgeschäfte werden aber in der Millionenstadt La Paz getätigt. Keine spanische Kolonialstadt in Südamerika ist über die Jahrhunderte noch so gut erhalten geblieben wie Sucre. Sie wurde wie Rom auf sieben Hügel gebaut und man nennt sie auch „die weiße Stadt”, auf Grund seiner in weiß getünchten Fassaden.
Uns verzaubert diese Stadt. Wir finden es ist keine typische bolivianische Stadt. Mit seinen vielen Studenten hat sie einen internationalen Flair, den man auch spürt. Vergleichbar mit einer deutschen Stadt ist es vielleicht das bolivianische Regensburg. Wir fühlen uns wohl hier und drehen jeden Tag eine andere Route durch die Stadt. Das kann noch einige Tage so weiter gehen.
Wir fragen Anna, ob sie uns ein Lokal zum Abendessen empfehlen kann. Sie schickt uns ins Oriental, wo wir die einzigen „Weißen“ unter den einheimische Gästen sind. Am Eingang steht eine große Plastikwanne auf zwei Stühlen, wie man sie bei uns zum Baden von Säuglingen benutzt. Darin befindet sich eine braunes Getränk das optisch eine Ähnlichkeit mit Jauche (bayerisch: Odl) hat. Jeden Gast wird dieses Getränk aus der Wanne mit einen großen Schöpflöffel in ein Glas eingeschenkt. Wir bringen es nicht übers Herz dieses Getränk zu probieren und lassen die Kellnerin frühzeitig wissen, dass wir gerne auf das Getränk verzichten und lieber ein Bier hätten. Zum Bierholen muss sie außer Haus gehen und kommt in wenigen Minuten mit zwei Flaschen zurück. Eine Speisekarte gibt es nicht, nur Einheitsgericht „ Pollo con Papas“( Grillhendl mit Kartoffeln). Michaela bestellt sich eine viertel Portion und ich eine halbe Portion. Mein Hendl hängt links und rechts weit über den Tellerrand hinaus. Michaela bekommt fast einen Lachkrampf. So große Hühner haben wir unserer Lebtage noch nicht gesehen. Die Luft im Lokal ist heiß und stickig. Am geöffnetem Fenster steht ein Bettler der mit einer zusammengeknüllten Plastiktüte in der Hand spielt. Er sucht Blickkontakt mit den Gästen. Für viele Gäste ist er unsichtbar. Nur ein kurzer Blick vom Bruchteil einer Sekunde und ein kurzes Nicken meinerseits und er weiß, daß er heute nicht ohne Essen zu seinen Kindern zurückkehren wird. Wir lassen uns ein halbes Hendel und eine große Portion Kartoffeln zum Mitnehmen einpacken. Am Ausgang wartet er schon, dankt uns tausendmal und meint, „er brauche das Essen nicht für sich sondern für seine Kinder“. In Argentinien und Chile haben wir täglich die Straßenhunde gefüttert. Hier sind es die Menschen, die Unterstützung brauchen. Am anderen Tag lernen wir Bruno, einen Franzosen unseres Alters kennen.
Er wohnt seit einigen Monaten im gleichen Hostal, wo wir mit unseren VW-Bus stehen. Bruno ist gelernter Krankenpfleger, deshalb sagen wir auch zu ihm „Bruno die Krankenschwester“. Er arbeitet freiwillig auf unbestimmte Zeit hier als „Krankenschwester“ ohne auch nur einen Cent zu verdienen. Selbst seine Übernachtungs- und Verpflegungskosten zahlt er aus eigener Tasche. Er betreut ca.150 Kinder von ca. 2000 Kinder die in Sucre auf der Straße leben. Die meisten Kinder werden von den Eltern verlassen da sie hier keine Arbeit haben und ins Ausland zum Arbeiten gehen und nicht wieder kommen. Die Kinder sind sich dann selbst überlassen. Er erzählt uns von seiner Arbeit. Michaela hat sogar die Möglichkeit Bruno bei seiner Arbeit zu begleiten und Einblick in den Alttag der Straßenkinder zu bekommen. Michaelas alte Schuhe, welche nach europäischem Standart ausgedient haben und wir durch neue ersetzen, gibt sie einem Mädchen, welches bisher Winter wie Sommers Sandalen trug. Fünf Tage vor unserer Abreise aus Sucre kommt es zu einer Tragödie. Ein Kleinbus der mit Touristen zum Sonntagsmarkt nach Tarabuco unterwegs ist, verunglückt auf der Rückfahrt. Neben einigen Schwer- und Leichtverletzten kommt eine 20 jährige Kanadierin dabei ums Leben. Da auch einige Touristen aus unseren Hostal im verunglückten Bus saßen, machen sich Bruno und Anna, die Besitzerin des Hostals, sofort nach Eintreffen dieser Nachricht auf den Weg ins Krankenhaus um zu Helfen und zu Dolmetschen. Erst spät in der Nacht kommen beide wieder zurück. Gott sei dank wurde keiner der hier wohnenden Touristen schwerwiegend verletzt. Bruno verlegt am anderen Tag das Behandlungszimmer des Krankenhauses einfach in den Garten des Hostals und verpflegt und wechselt die Verbände der Verletzten die im Hostal wohnen. Anna erweist sich nicht nur als die Besitzerin eines Hostals sondern als die fürsorgende Mutter Bolivia.
Nun Themawechsel !
Am Spätnachmittag, wenn die Sonne schon tief am Horizont steht, gehen wir oft hinauf zum Convento La Recoleta, einem 400 Jahre alten Franziskanerkloster. Von hier oben hat man einen tollen Ausblick über die Stadt und es ist ein außergewöhnlich stiller Ort im Gegensatz zu dem pulsierenden Zentrum unten in der Stadt. Hier lernen wir Sanjosa und andere Indigenas kennen die ihre selbst gebastelten Waren und Textilien den Touristen anbieten.
Wir erzählen ihnen von unseren Familien, von Deutschland und Europa. Als wir erwähnen, dass im äußersten Norden Europas die Sonne im Sommer für Monate nicht mehr untergeht oder im Winter nicht mehr aufgeht, brechen sie in Gelächter aus und können es kaum glauben. Immer mehr „Teilnehmer“ pirschen sich unbemerkt heran und hören uns neugierig zu. Zum Ende hin fragen sie uns dann immer „ kommt ihr morgen wieder“. Auf jeden Fall haben wir jeden Tag eine Menge Spaß miteinander.
Auf unserer Reise waren wir bislang an keinem Ort solange als hier. Die Stadt, die Menschen mit ihrer Freundlichkeit sind uns die letzten 18 Tage ans Herz gewachsen. Aber wir müssen wieder mal weiter. Schnell stellen wir noch diesen Reisebericht ins Internet, denn wer weiß wann die nächste Möglichkeit besteht.
Bis Bald ! Raimund und Michaela